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© 2024 Arbeitnehmerkammer Bremen

12.04.2024

Freie Wahl auf dem Arbeitsmarkt? – Nicht für alle

"Beschäftigte haben die Wahl", "Mitarbeiter können sich die Jobs aussuchen" – die Schlagzeilen, die vom Arbeitnehmermarkt in Zeiten des Fachkräftemangels künden, werden nicht weniger. Eine Entwicklung, die die Arbeitnehmerkammer begrüßt – sorgt sie doch für mehr Augenhöhe zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern. „Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch immer viele Beschäftigte gibt, die nicht vom positiven Trend am Arbeitsmarkt profitieren, sondern weiterhin unter schwierigen Bedingungen arbeiten müssen“, warnt Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Der diesjährige Bericht zur Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen nimmt deshalb genau diese Gruppe von Beschäftigten in den Blick – Menschen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, also zu Niedriglöhnen, in ungewollter und nicht existenzsichernder Teilzeit, nicht abgesicherten Minijobs oder Befristungen.

Niedriglohn trotz Fachkräftemangel

Prekäre Beschäftigung drückt sich vor allem im Lohn aus: Jeder Siebte im Land Bremen arbeitet im Niedriglohnsektor – somit verdienen rund 58.000 Beschäftigte weniger als 13,04 Euro pro Stunde. Allein unter den Minijobberinnen und Minijobbern sind es 66 Prozent, zudem arbeiten 14 Prozent der Teilzeitbeschäftigten für einen Niedriglohn. Aber auch rund 10.000 Vollzeitbeschäftigte im Land Bremen verdienen nur einen Niedriglohn. In den Reinigungs- und Gastronomieberufen ist das Niedriglohnrisiko besonders hoch. Betroffen sind aber auch Verkäuferinnen und Verkäufer.

Vor allem Menschen ohne Berufsabschluss, Frauen, Ausländer und Menschen in Helferberufen arbeiten für geringe Löhne. Wer keinen Berufsabschluss hat und als Helfer oder Helferin arbeitet, droht dauerhaft prekär beschäftigt zu bleiben, weil es noch immer zu wenig Möglichkeiten gibt, sich betrieblich oder beruflich weiterzubilden. Einen hohen Anteil an Helferjobs gibt es vor allem in der Logistikbranche. Zugenommen haben die Jobs mit Helfertätigkeiten zudem im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Bau- oder Gastgewerbe.

Verschenktes Potenzial: Viele arbeiten unter ihren Möglichkeiten

Besonders hoch ist der Anteil der Niedriglohnempfänger unter den Ausländerinnen und Ausländern. „Das muss uns zu denken geben, weil diese Gruppe häufig unterhalb ihrer Qualifikation arbeitet. Wir verschenken hier viel zu viel Potenzial“, betont Peer Rosenthal. Mehr als 40 Prozent der ausländischen Beschäftigten hat eine höhere Qualifikation als für die Tätigkeit erforderlich. Die Zahl der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigt derweil stetig an – waren es 2013 noch knapp 28.000 Menschen, so sind inzwischen 57.400 auf dem Arbeitsmarkt in Bremen und Bremerhaven präsent.

Prekär Beschäftigte in der Rechtsberatung

Prekäre Arbeit macht sich nicht nur am niedrigen Lohn, sondern auch schlechten Arbeitsbedingungen fest: Besonders hohe Risiken der Prekarität birgt aktuell die Plattformökonomie mit ihren vielfältigen Dienstleistungen. Die Arbeitnehmerkammer sprach für den Bericht zur Lage mit einem Paketboten, der häufig 13 Stunden am Tag arbeiten musste, um für einen Online-Shop in der Region Pakete zu verteilen. Statt der 70 bis 80 Pakete, die pro Arbeitstag ohne Stress zu schaffen waren, musste er oft 200 Pakete ausfahren – bei jedem Wetter. Im Gespräch mit der Arbeitnehmerkammer berichtete er von Anfeindungen, mangelhaften Fahrzeugen und schlechter Arbeitskleidung. Als er sich weigerte, 275 Pakete am Tag zu verteilen, bekam er die Kündigung. Er wurde von der Arbeitnehmerkammer beraten, klagte nicht bezahlte Überstunden ein und einigte sich mit seinem Arbeitgeber auf eine Lohnnachzahlung.

„In der Paketbranche werden viele Überstunden geleistet, die nicht ordentlich dokumentiert werden“, sagt Rechtsberaterin Josephine Klose von der Arbeitnehmerkammer. „Wenn ein Festgehalt vereinbart wurde, die Person aber viel mehr gearbeitet hat, liegt das Gehalt letztlich sogar unter dem Mindestlohn.“ Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass gerade in prekären Bereichen des Arbeitsmarkts auch Rechtsverstöße häufiger vorkommen als anderswo.

Berufsabschlüsse fördern und Qualifikationen anerkennen

„In allen Statistiken zeigt sich, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung der wichtigste Schlüssel ist, um den Weg aus der Prekarität zu finden“, mahnt Peer Rosenthal. Die Arbeitnehmerkammer spricht sich daher weiterhin für eine Qualifizierungsoffensive im Land Bremen aus. Der Ausbildungsunterstützungsfonds sowie der Qualifizierungsbonus, der die Bemühungen von Beschäftigten um einen Berufsabschluss honoriert, sind wichtige Bausteine.

Darüber hinaus fordert die Arbeitnehmerkammer …

  1. eine bessere und zügige Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sowie ausreichende und berufsspezifische Angebote zum Spracherwerb während der Ausbildung, um das Potenzial ausländischer und migrantischer Beschäftigter zu heben. Vor allem für Lehrkräfte und den Erziehungsbereich wurden Qualifizierungsangebote und Sprachkurse vom Bund finanziert. Da die Finanzierung dieser Maßnahmen durch den Bund ausläuft, muss die Landesregierung zeitnah die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen, damit die Angebote aufrechterhalten werden können.
  2. eine deutliche Absenkung der Geringfügigkeitsgrenze, um Minijobs als unsichere Beschäftigungsform einzudämmen.
  3. eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro. Die zum 1. Januar 2024 erfolgte Erhöhung des Mindestlohns um 41 Cent auf 12,41 Euro reicht nicht aus, um die Preissteigerungen der vergangenen Monate zu kompensieren. Um den Vorgaben der Europäischen Mindestlohnrichtlinie zu entsprechen, muss die untere Einkommensgrenze bei 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Hierfür wäre eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro erforderlich.
  4. eine bessere Entlohnung der sozialen und Dienstleistungsberufe, von der insbesondere Frauen profitieren.
  5. mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge, damit gerade prekär Beschäftigte auch von Tarifverträgen profitieren. Leider greift dieses Instrument wegen der sehr restriktiven Regelungen und der noch restriktiveren Haltung der Arbeitgeberseite viel zu selten. Das Land Bremen muss sich deshalb im Bund weiter und mit Nachdruck für Erleichterungen bei der Erklärung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen einsetzen.

Die im vergangenen Jahr im Land Bremen in Kraft getretene Ausweitung des Tariftreue- und Vergabegesetzes auf Dienstleistungsaufträge war aus Sicht der Arbeitnehmerkammer ein Meilenstein. „Hier brauchen wir nun auch eine zügige Umsetzung und gute Ausstattung der Kontrollbehörden – das Gesetz darf kein Papiertiger sein“, fordert Rosenthal.

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