Zu sehen ist der Schattenumriss einer Frau vor einem Fenster.

Wechseljahre am Arbeitsplatz

Wie kann der Betrieb unterstützen?

Während des Klimakteriums erleben viele Frauen Symptome, die nicht nur ihre Arbeit beeinflussen, sondern auch ihre Karriereentscheidungen. Expertinnen fordern einen offeneren Umgang mit dem bisherigen Tabuthema – und unterstützende Maßnahmen in den Betrieben.

Text: Anne-Katrin Wehrmann
Foto: Jonas Ginter
1. März 2024

Der Kopf will nicht richtig funktionieren, die Konzentration fällt schwer. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht schafft es auch der dritte Kaffee nicht, die allumfassende Müdigkeit zu vertreiben. Gerade erst am Arbeitsplatz angekommen, folgt schon die erste Hitze­wallung des Tages – roter Kopf und durchgeschwitzte Bluse sind kaum zu übersehen, was den Stresspegel weiter steigen lässt. Als dann auch noch der Kollege vom Schreibtisch nebenan zum wiederholten Mal dieselbe Frage stellt, entlädt sich die innere Spannung ungewollt in einer gereizten und nicht sehr freundlichen Antwort. Herzlich willkommen im Klimakterium! Obwohl fast alle Frauen ab einem bestimmten Alter zumindest einige dieser Symptome aus eigener Erfahrung kennen, sind Wechsel­jahresbeschwerden bei der Arbeit bis heute ein Tabuthema.

„Wer erfahrene ­Arbeitnehmerinnen in ­seinem Unternehmen halten will, muss etwas für sie tun.“
Andrea Rumler, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Und das mit weitreichenden Folgen, wie Andrea Rumler, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, berichtet. „Volkswirtschaftlich ist das Thema hochbrisant“, macht sie deutlich. „Schon heute klagen zwei Drittel aller deutschen Unternehmen über Fachkräftemangel. Und obwohl in vielen Unternehmen Frauen in den Wechseljahren einen bedeutenden Teil der Belegschaft ausmachen, gibt es für sie in dieser Phase kaum Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung.“ Das zu ändern ist Ziel eines aktuellen Forschungsprojekts mit dem Titel „MenoSupport“, das ­Rumler und ihr Team zusammen mit Projektpartnerinnen der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin initiiert haben. Um eine Basis für die Erarbeitung unter­stützender Maßnahmen zu ­schaffen, haben die Forscherinnen voriges Jahr eine bundes­weite Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz durchgeführt – und damit erstmals ­konkrete Zahlen für Deutschland ­geliefert.

Erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit

Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Demnach ist die Arbeitsfähigkeit der befragten Frauen im Alter zwischen 28 und 67 Jahren durch die Wechseljahre zum Teil erheblich beeinträchtigt. Mehr als 70 Prozent gaben an, während des Klimakteriums unter erhöhtem Stress und geringerer Konzentrationsfähigkeit zu leiden. Die Hälfte der Befragten klagte über eine erhöhte Ungeduld und Gereiztheit gegenüber anderen, und immerhin noch 38 Prozent ­stellten ein geringeres Selbst­bewusstsein bezüglich der eigenen Fähigkeiten fest. Darüber hinaus wurden weitere physische und psychische Probleme benannt. Insgesamt gaben nur 6,5 Prozent der Be­fragten an, dass die Wechsel­jahre keinen Einfluss auf ihre Arbeit haben beziehungs­weise hatten. „­Besonders erwähnenswert finde ich, wie stark die Wechseljahre auf Karriere­entscheidungen von Frauen wirken“, meint Andrea Rumler. So hat jede Vierte der Um­­frage­teilnehmerinnen aufgrund von ent­sprechenden Sympto­men die Arbeitszeit reduziert. Und jede Zehnte gab an, deswegen früher in Rente gehen zu wollen oder schon gegangen zu sein – bei den Frauen ab 55 Jahren sogar jede Fünfte.

„Vor allem wünschen sich Frauen mehr ­Verständnis für ihre Situation und mehr ­Flexibilität in den ­Arbeitsbedingungen.“
Anke Sinnigen, Gesundheitsexpertin und Gründerin des Online-Portals wexxeljahre.de

Für Unternehmen ist das nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance: Davon ist Anke ­Sinnigen überzeugt. Die Gesundheitsex­pertin und Gründerin des Online-Portals wexxeljahre.de hat sich auf die Fahnen geschrieben, Frauen durch die Aufbereitung medizinisch relevanter Informationen in ihren Wechseljahren zu unterstützen. Dazu gehört es aus ihrer Sicht auch, deren Arbeitgeber miteinzubeziehen und in den Betrieben das Verständnis für mögliche Auswirkungen des Klimakteriums zu erhöhen. „Die Aufklärung über Themen der Frauengesundheit ist generell nicht gut“, sagt Sinnigen. „Die meisten Unter­nehmen wissen überhaupt nicht, wie sie damit umgehen sollen.“ Dabei sei es gar nicht so schwer, den weiblichen Teil der Belegschaft in dieser heraus­fordernden Zeit zu unterstützen: „Entsprechende Maßnahmen kosten nicht viel Geld und lassen sich vergleichsweise einfach umsetzen.“

Bewusstsein schaffen als Basis

Entscheidend ist es nach ihrer Erfahrung, in den Betrieben zunächst ein Bewusstsein für sowie einen ­offenen Umgang mit Wechseljahresbe­schwer­den zu schaffen. Der erste Impuls hierfür könne sowohl von den Arbeitnehmerinnen als auch von den Personal­ab­teilungen kommen. Anschließend lasse sich dann gemeinsam erarbeiten, ­welche konkreten Unterstützungsangebote denkbar seien. „Das kann vom monat­lichen Menopausen-­Stammtisch über die Bereitstellung von E-Learning-­Tools bis hin zur betrieblichen Menopause Policy gehen, wie sie einige wenige Unternehmen schon um­­setzen“, erläutert Anke Sinnigen. „Vor allem wünschen sich Frauen mehr Verständnis für ihre Situation und mehr Flexibilität in den Arbeitsbedingungen.“ Die Unter­nehmen könnten dabei nur ge­­winnen, ist sie überzeugt: „Aus betrieb­licher Sicht ist es nicht nach­haltig, diese Phase auszublenden. Wenn ich als Arbeitgeber signalisiere, dass ich meine Mitarbeiterinnen sehe und wertschätze, werden sie sich beruflich nicht um­­orientieren.“

„Besonders ­erwähnenswert finde ich, wie stark die Wechseljahre auf ­Karriereentscheidungen von Frauen wirken.“
Andrea Rumler, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Auch Professorin Andrea ­Rumler fordert eine größere Offenheit. Als Positiv­beispiel nennt sie England, wo Frauen­gesundheit im Arbeitsleben schon seit einiger Zeit Beachtung findet und immer mehr Betriebe Wechseljahres­be­auftragte in ihren Personalab­teilungen etablieren. „Letztlich geht es darum, flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse der Frauen in ihrer individuellen Situation einzugehen“, er­­läutert die Wissen­schaftlerin. Bis zum Ende des Projekts „MenoSupport“ im Herbst dieses Jahres wollen sie und ihre Kolleginnen verschiedene Maßnahmen für das betriebliche Gesundheitsmanagement entwickeln, auf die interessierte Betriebe anschließend zurück­greifen können. Sie sei optimistisch, dass die Forschungsergebnisse dann auch tatsächlich in die betriebliche ­Praxis umgesetzt würden: „Weil ich nicht sehe, dass sich der Fachkräfte­mangel von selbst löst. Wer erfahrene Arbeitnehmerinnen in seinem ­Unternehmen halten will, muss etwas für sie tun.“