Ein Mann sitzt am Tisch und schaut einen anderen Menschen an, den man nicht sieht.

Berufsabschluss nachholen mit dem Qualifizierungsbonus

Heilerziehungspfleger Julian Hanßen ist auf dem Weg zur Fachkraft

Seit einem Jahr gibt es im Land Bremen mit dem Qualifizierungsbonus einen zusätzlichen Anreiz für Beschäftigte, die ihren Berufsabschluss nachholen. Die Nachfrage ist groß, einer der Teilnehmer ist der angehende Heilerziehungspfleger Julian Hanßen.

Text: Insa Lohmann
Foto: Kay Michalak
1. März 2024

Wenn Julian Hanßen von seiner Arbeit in der Pflege berichtet, blüht er regelrecht auf: „Die Tätigkeit ist unglaublich umfangreich und abwechslungsreich, jeder Tag ist anders.“ Nachdem der 36-­Jährige bereits drei Jahre als Assistenzkraft tätig war, stand für ihn fest: „Ich wollte mich verändern.“ Seit vergangenem Jahr absolviert der Bremer nun eine zweijährige Qualifizierung zum Heil­erziehungspfleger. An zwei Tagen geht er zur Schule, drei Tage die Woche ist er im Praxiseinsatz. „Dort kann ich das Erlernte sofort anwenden“, sagt ­Hanßen. Bei seinem Arbeitgeber, der diakonischen Stiftung Friedehorst, ist er im Bereich intensiv betreutes ­Wohnen beschäftigt. Dort werden Menschen mit einem hohen Pflegebedarf betreut. Heil­erziehungspflegerinnen und -pfleger wie Hanßen begleiten Menschen mit geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderungen. Für den 36-Jährigen ist die Arbeit genau das, wonach er lange gesucht hat: „Das ist mein Bereich, in dem mich wohlfühle.“ Dabei war ­Hanßens Weg in die Pflege nicht immer klar, denn der ­Bremer kommt eigentlich aus einer ganz anderen Branche: dem Hotelgewerbe.

Verbesserte Chancen am ­Arbeitsmarkt

Der 36-Jährige ist ein typischer Quereinsteiger, der nun einen Berufsabschluss in der Pflege nachholen möchte. Seit Februar 2023 unterstützt das Land Bremen Beschäftigte ohne Berufsabschluss mit einem zusätzlichen Anreiz: Arbeitnehmende, die an einer von der Agentur für Arbeit geförderten Weiter­bildung teilnehmen, erhalten während der Qualifizierung neben dem vollen Gehalt einen Bonus in Höhe von 200 Euro. Finanziert wird der Bremer Qualifizierungsbonus von der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration. Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen: „Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern sich durch eine abgeschlossene Berufsausbildung erheblich. Auch das Risiko arbeitslos zu werden ist deutlich geringer. Mit dem Qualifizierungsbonus möchten wir unsere Mitglieder während der herausfordernden Zeit der Weiterbildung unterstützen. Der Bonus soll aber auch einen Anreiz zum Durchhalten bieten.“

„Mit dem ­Qualifizierungsbonus ­möchten wir unsere ­Mitglieder während der ­herausfordernden Zeit der Weiterbildung ­unterstützen.“
Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen

Im Land Bremen ist der Bedarf besonders hoch: Im Jahr 2022 arbeiteten hier 59.499 Beschäftigte ohne Berufsabschluss. Und die Nachfrage nach dem Qualifizierungsbonus ist groß: Seit dem Start des Angebots im vergangenen Jahr haben mehr als 90 Un- und Angelernte eine Weiter­bildung angefangen. Die Teilnehmen­den kommen vor allem aus den ­Branchen Logistik, Pflege sowie aus der Kinder- und Jugendbetreuung – allesamt Bereiche, in denen der Fach­kräftemangel besonders groß ist.

Beschäftigte und Betriebe stärken

Für Peer Rosenthal ist die große Resonanz daher eine sehr erfreuliche Entwicklung: „Mit dem Qualifizierungsbonus werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Wir stärken nicht nur die Beschäftigten in Bremen, die bislang keinen Berufsabschluss haben. Auch die Betriebe und das Land ­Bremen insgesamt profitieren, denn mit einer Weiterbildung werden die dringend benötigten Fachkräfte gewonnen.“ Auch für Julian Hanßen ist der Quali­fizierungsbonus eine wichtige Maßnahme, um mehr Menschen langfristig für die Pflege zu gewinnen: „Fachkräfte sind schwer zu bekommen. Je mehr Angebote dieser Art es gibt, desto eher sind Menschen bereit, in dem Bereich eine Ausbildung zu machen.“ Dass der 36-Jährige für die Dauer der zweijährigen, berufsbegleitenden Qualifizierung als Heilerziehungspfleger neben dem Bonus auch das volle Gehalt erhält, war für den Bremer eine wichtige Voraussetzung: „Dass ich eine Weiterbildung absolvieren kann und trotzdem keine finanziellen Abstriche machen muss, ist schon eine Erleichterung.“

Berufsbegleitende Weiterbildung bessere Option

Gerade für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die schon mehrere Jahre einer Beschäftigung nachgehen und häufig finanzielle Verpflichtungen haben, sei eine duale Ausbildung oft keine Option, sagt Peer Rosenthal. „Hier ist eine berufsbegleitende Weiterbildung in Kombination mit dem Quali­fizierungsbonus eine bessere Möglichkeit.“ Für ihn sind Beschäftigte wie Julian Hanßen genau die Zielgruppe, die mit dem Qualifizierungsbonus erreicht werden soll: „Arbeitnehmende, die keine Gelegenheit zur Ausbildung hatten, eventuell zwischendurch einen Branchenwechsel vollzogen haben, nun aber angekommen sind.“ So war es auch bei ­Hanßen: „Nach der Schule wollte ich erst einmal Geld ver­dienen und habe eine Aus­bildung zum Hotelfachmann absolviert“, erzählt er. Doch so richtig zu Hause fühlte sich der 36-Jährige nicht in der Branche. ­Hanßen wechselte in den Einzel­handel, arbeitete in einem Bioladen. Aber auch das erfüllte ihn langfristig nicht. Einen Pflegeberuf auszuüben, habe er schon länger im Kopf gehabt – es folgten Praktika in Kitas und in Kliniken. „Dennoch hat es sich nie ­richtig ergeben mit der Pflege, die Rahmen­bedingungen stimmten nicht“, berichtet Julian Hanßen.

„Dass ich eine ­Weiterbildung absolvieren kann und ­trotzdem keine finanziellen Abstriche machen muss, ist schon eine Erleichterung.“
Julian Hanßen

Das ist nun anders: Der angehende Heil­erziehungspfleger hat familienfreundliche Arbeitszeiten und ist mit seinem Tarifvertrag in der Pflege nun auch finanziell bessergestellt als während seiner Arbeit im Einzelhandel. Zudem erhält er Zulagen für Überstunden und Wochenendarbeit. Und der Bedarf im Bereich intensiv betreutes Wohnen wächst, Hanßen hat gute Berufsaussichten als Heilerziehungspfleger. Von der Qualifizierung, die der Bremer im nächsten Jahr abschließen möchte, verspricht er sich nicht nur die Anerkennung als Fachkraft, sondern auch fundiertes Fachwissen. „In der Pflege ist es wichtig, ein gutes Hintergrundwissen zu haben“, sagt er. „Die Arbeit in der Pflege bedeutet lebenslanges Lernen.“

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